
Eine Auskunft durch den Vorstand ist dann erforderlich, wenn sie zur Urteilsfindung eines durchschnittlichen Aktionärs hinsichtlich eines Tagesordnungspunktes wesentlich ist1. Dies lässt einen großen Spielraum offen, so dass im Zweifelsfalle dem Auskunftsverlangen großzügig entgegengekommen werden sollte.
Bei der Auskunftserteilung hat der Vorstand gem. § 131 Abs. 2 S. 1 AktG die Grundsätze einer gewissenhaften und getreuen Rechenschaft einzuhalten. Die Auskünfte müssen also vollständig und sachlich zutreffend sein2.
Die Vollständigkeit und Sachlichkeit der Antworterteilung zweifeln Fragesteller gerne an und geben dies als Begründung für eine Anfechtungsklage nach § 243 Abs. 1 AktG an. So werden häufig detaillierte Fragen zu den Jahresabschlüssen gestellt, die der Vorstand eines großen Unternehmens nur in wenigen Fällen umfassend aus dem Stehgreif beantworten kann. Ist im vornherein aufgrund einer schlechten Geschäftsentwicklung oder eines negativen Vorfalls bei der Geschäftsführung mit einer kritischen Versammlung zu rechnen, sollte, wie oben bereits dargestellt, im Vorfeld der Hauptversammlung bereits ein Frage- und Antwortkatalog erstellt werden, auf den der Vorstand bei der Beantwortung der Fragen zurückgreifen kann.
Bei Aktiengesellschaften mit einem umfangreichen Geschäftsfeld ist es sehr hilfreich, wenn dem Vorstand zur Beantwortung der Fragen ein Spezialisten-Team im Back-Office zur Verfügung steht. Dieses setzt sich meist aus Führungskräften der verschiedenen Abteilungen sowie Steuer- und Rechtsberatern zusammen. Um den Workflow bei der Fragenbeantwortung zu vereinfachen und übersichtlich zu gestalten, kommt oftmals ein EDV-System zum Einsatz, das die Mitarbeiter im Back-Office bei der Verteilung der Fragen an die einzelnen Experten und der Fragenbeantwortung unterstützt. Mit Hilfe solcher Systeme erhält der Versammlungsleiter zudem einen Überblick, wie viele Fragen insgesamt gestellt sind, wie viele bereits beantwortet wurden und welche Fragen noch offen sind. Bei rechtlich anspruchsvollen Fragen empfiehlt es sich, dass ein Rechtsberater die Antwort auf Richtigkeit kontrolliert, bevor sie der Vorstand zur Beantwortung erhält. Die Antworten sollten für den Vorstand vorlesefertig aufbereitet werden und dieser sollte sich an dem ihm vorgegebenen, rechtlich geprüften, Vorlesetext halten, um sicherzugehen, dass die Antwort keine Angriffspunkte aufweist. Um eine vollständige Erfassung und Beantwortung der Fragen zu gewähren, werden oftmals professionelle Stenografen beauftragt, die aus der Rede des Aktionärs die gestellten Fragen herausfiltern und diese wortgetreu protokollieren.
In den Fällen des § 131 Abs. 3 AktG kann der Vorstand von einer Beantwortung der Fragen absehen. Für die Praxis sind hierbei die Auskunftsverweigerung wegen einer möglichen Nachteilszufügung und wegen einer Strafbarkeit der Auskunftserteilung relevant3. So kann der Vorstand nach § 131 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 AktG die Antwort auf eine Frage eines Aktionärs verweigern, wenn die Auskunft nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung geeignet ist, dem Unternehmen einen nicht unerheblichen Nachteil zuzufügen. Diese Formulierung lässt einen weiten Bewertungsspielraum offen. Als Nachteil wird hier nicht nur ein Schaden nach § 249 ff. BGB gesehen, sondern jede Beeinträchtigung von Gesellschaftsinteressen4. Hierunter fallen z.B. wirtschaftliche Einbußen bei der Offenlegung interner Kalkulationen oder strategischer Unternehmensziele5. Der Vorstand darf gem. § 131 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 AktG zudem eine Frage nicht beantworten, wenn er sich durch die Erteilung der Antwort strafbar machen würde. Er kann sich hierbei jedoch nicht auf § 404 AktG berufen6. Eine Auskunftsverweigerung aufgrund einer Verletzung der Geheimhaltungspflicht ist somit nach überwiegender Meinung nicht rechtmäßig.
Verweigert der Vorstand dem Aktionär eine Auskunft, kann dieser verlangen, dass seine Frage und der Verweigerungsgrund in das notarielle Protokoll aufgenommen werden7. Ebenso kann der Aktionär den Notar auffordern, eine Frage, die er als nicht oder nicht vollständig beantwortet erachtet, ins notarielle Protokoll aufzunehmen. Als Rechtsmittel stehen dem Aktionär ein Auskunftserzwingungsverfahren gem. § 132 AktG oder eine Anfechtungsklage gegen den Hauptversammlungsbeschluss, auf den sich die Frage bezieht, zur Verfügung8.
Die Auskunft erfolgt durch den Vorstand grundsätzlich mündlich und muss nicht unverzüglich erfolgen9. So kann es vorkommen, dass die Hauptversammlung vom Versammlungsleiter mehrmals unterbrochen wird, damit die Beantwortung der Fragen sorgfältig vorbereitet werden kann. Hat der Vorstand aus seiner Sicht alle Fragen beantwortet ist es ratsam nachzufragen, ob noch Fragen offen sind. Meldet sich hierauf niemand mehr zu Wort, wird dies als konkludenter Verzicht auf das Fragerecht gewertet10. Dem Auskunftsrecht des Aktionärs kann nach herrschender Meinung mit dem Einwand des Rechtsmissbrauchs im Sinne des § 242 BGB begegnet werden11. So hat ein Aktionär kein Recht darauf zu verlangen, dass der Vorstand Fragenkataloge mit mehreren DIN A 4-Seiten beantwortet12. Dies wird dadurch begründet, dass Aktionäre eine Hauptversammlung nicht für individuelle Informationsbedürfnisse monopolisieren dürfen, da die Hauptversammlung am Einberufungstag nach längstens zehn bis zwölf Stunden enden soll. Ein verbotenes widersprüchliches Verhalten ist z.B. auch anzunehmen, wenn ein Aktionär nach Schluss der Debatte Fragen stellt, obwohl er vorhergehende Worterteilungen zu sonstigen Beiträgen genutzt hat13.
- Wachter, Aktiengesetz, § 131 Rn. 13.
- Hüffer, Aktiengesetz, § 131, Rn. 21.
- Ek, Praxisleitfaden für die Hauptversammlung, S. 85, Rn. 313.
- Ek, Praxisleitfaden für die Hauptversammlung, S. 86, Rn. 314.
- BayObLG, ZIP 1996, 1251, 1253.
- Hüffer, Aktiengesetz, § 131, Rn. 31.
- Hüffer, Aktiengesetz, § 131, Rn. 43.
- Hüffer, Aktiengesetz, § 131, Rn. 44.
- Hüffer, Aktiengesetz, § 131, Rn. 22.
- Ek, Praxisleitfaden für die Hauptversammlung, S. 88, Rn. 323.
- BayObLGZ 1974, 208, 213 = NJW 1974, 2094; OLG Frankfurt, AG 1984, 25.
- LG München I, AG 2010, 919, 921 reSp.
- LG Karlsruhe, AG 1998, 99, 100 reSp.