Dem Bericht über das abgelaufene und dem Ausblick auf das laufende Geschäftsjahr wird von den Aktionären in der Regel die meiste Aufmerksamkeit geschenkt. Deshalb ist die Vorstandsrede oft der Höhepunkt der Hauptversammlung. Neben den Ausführungen zu den gesetzlichen Berichtspflichten dient die Vorstandsrede der Erlangung eines unerschütterlichen Vertrauens der Aktionäre und der Finanzpresse in die Fähigkeiten, Kompetenzen und Visionen des Vorstandes und des Unternehmens1. Um die Aufmerksamkeit der Zuhörer nicht zu strapazieren, sollte die Rede nicht länger als 30 bis 45 Minuten in Anspruch nehmen2. Da bei großen Publikumsgesellschaften ein Großteil der Aktionäre fachfremd sind, sollte von der Verwendung zu vieler Fachterminologien Abstand genommen werden. Um die Aufmerksamkeit der Aktionäre zu erlangen und die Kompetenz des Vorstands herauszustellen, wird die Vorstandsrede zunehmend als freier Vortrag mit Funkmikrofon gehalten und durch mediale Hilfsmittel unterstützt3.
Neben einer gelungenen Präsentation ist es jedoch auch erforderlich, dass die Rede alle gesetzlich vorgeschriebenen Erläuterungspflichten des Vorstands erfüllt. Die Erläuterungen zum Jahresabschluss, Lagebericht und Gewinnverwendungsbeschluss gem. § 176 Abs. 1 S. 2 AktG erfolgen im Rahmen der Vorstandsrede meist nach der Verlesung der Formalien durch den Versammlungsleiter und dem Aufruf des entsprechenden Tagesordnungspunktes. Die Erläuterungen können entweder vom Vorstandsvorsitzenden oder von einem anderen Mitglied des Vorstands, z.B. dem Finanzvorstand vorgetragen werden4. Der Vorstand soll hierbei den wesentlichen Inhalt der Jahresberichte komprimiert wiedergeben und ergänzende und veranschaulichende Informationen vermitteln5. In der Vorstandsrede sollte vor allem auch auf Punkte eingegangen werden, die im Verlaufe des betroffenen Geschäftsjahres und im Vorfeld der Hauptversammlung in der Presse oder von Aktionären thematisiert wurden6. Zudem sollte der Vorstand auf bereits eingereichte und veröffentlichte Gegenanträge eingehen.
Hauptbestandteil der Vorstandsausführungen ist die Erläuterung des Bilanzgewinns und des Gewinnverwendungsvorschlags der Verwaltung7. Hat die Gesellschaft einen Jahresfehlbetrag oder einen Verlust ausgewiesen, der das Jahresergebnis erheblich beeinträchtigt, so soll der Vorstand hierzu Stellung nehmen8. Wurden Gewinnrücklagen aufgelöst, hat der Vorstand dies ebenfalls zu erläutern9.
Zum Abschluss der Erläuterungen über den Jahresabschluss werden vom Vorstand meist Angaben zu den Entwicklungen der Gesellschaft im laufenden Geschäftsjahr gemacht und er gibt einen Ausblick auf die zukünftige Geschäftsentwicklung. Stehen Entscheidungen der Hauptversammlung über Unternehmensverträge auf der Tagesordnung, muss der Vorstand diese erläutern10. Dies gilt auch, wenn die Hauptversammlung über strukturändernde Maßnahmen beschließen soll11.
Hat die Gesellschaft seit der letzten Hauptversammlung eigene Aktien erworben12, so muss der Vorstand die Aktionäre auch hierüber informieren13. Eine Erläuterung kann jedoch entfallen, wenn diese bereits in der Einladung zur Hauptversammlung oder im Anhang des Jahresabschlusses enthalten sind14.
- Kirchhoff, Piwinger, Praxishandbuch Investor Relations, S. 343
- Kirchhoff, Piwinger, Praxishandbuch Investor Relations, S. 343
- Kirchhoff, Piwinger, Praxishandbuch Investor Relations, S. 344
- Grigoleit, Aktiengesetz, § 176, Rn. 4
- Grigoleit, Aktiengesetz, § 176, Rn. 4
- Schlitt/Becker in Semler/Volhard/Reichert, Arbeitshandbuch für die Hauptversammlung, S. 451, Rn. 64
- Schlitt/Becker in Semler/Volhard/Reichert, Arbeitshandbuch für die Hauptversammlung, S. 451, Rn. 65
- § 176 Abs. 1 S. 3 AktG
- Hüffer, Aktiengesetz, § 176, Rn. 5
- § 293g Abs. 2 S. 1 AktG
- Schlitt/Becker in Semler/Volhard/Reichert, Arbeitshandbuch für die Hauptversammlung, S. 459, Rn. 89
- gem. § 71 Abs. 1 Nr. 1 u. Nr. 8 AktG
- § 71 Abs. 3 S. 1 AktG
- Hüffer, Aktiengesetz, § 71, Rn. 22