
Grundsätzlich ist gem. § 12 Abs. 1 AktG jeder Aktionär stimmberechtigt. Eine Ausnahme gibt es bei Vorzugsaktionären; diese können gem. §§ 12 Abs. 1 S. 2 AktG i.V.m. § 139 Abs. 1 AktG von der Stimmberechtigung ausgeschlossen werden. Das Stimmrecht der Vorzugsaktionäre lebt allerdings gem. § 140 Abs. 2 S. 1 AktG wieder auf, wenn die Vorzugsdividende über zwei Jahre nicht ausgezahlt oder nachgezahlt wird, etwa weil die Gesellschaft keinen Bilanzgewinn erzielt hat1.
Ein Stimmverbot kann sich ergeben, wenn ein Aktionär Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglied ist und über seine Entlastung abgestimmt wird. In diesem Fall darf dieser gem. § 136 Abs. 1 AktG sein Stimmrecht nicht ausüben. Das gleiche gilt, wenn von der Hauptversammlung darüber abgestimmt wird, ob er von einer Verbindlichkeit zu befreien ist oder ob die Gesellschaft gegen ihn einen Anspruch geltend machen soll. Häufig wird übersehen, dass den Vorstand auch dann vom Stimmrecht ausgeschlossen ist, wenn gem. § 286 Abs. 5 HGB über eine Nichtveröffentlichung der Angaben zur Vorstandsvergütung im Anhang zum Jahresabschluss gem.
§ 285 Nr. 9 a HGB und im Anhang zum Konzernabschluss gem. § 314 Abs. 1 Nr. 6 a i.V.m. Abs. 3 HGB, abgestimmt wird.
Zudem besteht ein Stimmverbot auch dann, wenn ein Aktionär bestimmte Beteiligungsquoten überschritten hat und dies der Gesellschaft nicht gem. § 20 AktG oder §§ 21 ff. WpHG gemeldet hat. Diese Beachtung von Meldegrenzen ist in der Praxis von großer Bedeutung und wird im Laufe der Generaldebatte auch gerne von kritischen Aktionären thematisiert. Bei Gesellschaften, bei denen ein Großinvestor aufgrund seiner Stimmenanzahl die Beschlussergebnisse auf der Hauptversammlung diktieren kann, z.B. indem er über 75 Prozent der Stimmrechte hält, haben die übrigen Aktionäre nur die Möglichkeit, das Ergebnis zu beeinflussen, wenn die Stimmen des Großinvestors aufgrund eines Verstoßes gegen § 20 AktG bzw. §§ 21 ff. WpHG einem Stimmverbot unterliegen. Dieses Stimmverbot ergibt sich aus § 20 Abs. 7 AktG bzw. § 28 WpHG. Es ist somit empfehlenswert alle Stimmrechtsmeldungen auf der Hauptversammlung vorzuhalten, damit in der Generaldebatte eventuelle Fragen zu Stimmrechtsmeldungen zügig beantwortet und die Meldungen auf Wunsch nachgewiesen werden können.
Der Aktionär muss sein Stimmrecht nicht zwingend selbst ausüben, sondern es kann gem.
§ 134 Abs. 3 S. 1 AktG auch durch einen Bevollmächtigten ausgeübt werden. Bevollmächtigt kann jede natürliche und juristische Person werden2. Auf die Vorgaben zur Erteilung einer rechtswirksamen Vollmacht wurde oben bereits eingegangen.
Eine börsennotierte Aktiengesellschaft soll den Aktionären zudem einen Stimmrechtsvertreter zur Verfügung stellen, der für diese das Stimmrecht auf der Hauptversammlung weisungsgebunden ausübt3. Der Aktionär muss dem Stimmrechtsvertreter zu jedem Punkt der Tagesordnung eine genaue Anweisung bezüglich des Abstimmverhaltens erteilen4. Geschieht dies nicht, werden die Stimmrechte nicht vertreten5. Eine falsche Stimmabgabe durch den Stimmrechtsvertreter führt nicht zur Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit der Beschlüsse. Der Aktionär kann in diesem Falle den Stimmrechtsvertreter aber auf Schadensersatz in Anspruch nehmen6. Die an den Stimmrechtsvertreter erteilte Vollmacht ist von der Gesellschaft gem.
§ 134 Abs. 3 S. 5 AktG drei Jahre lang aufzubewahren.
Für die Bevollmächtigung von Kreditinstituten und geschäftsmäßig Handelnden gibt es Sonderregelungen gem. § 135 AktG. Werden Kreditinstitute bevollmächtigt, haben diese den Aktionären zur Erteilung von Weisungen zu den einzelnen Tagesordnungspunkten gem.
§ 135 Abs. 1 S. 7 AktG ein Formblatt oder ein Bildschirmformular zur Verfügung zu stellen. Durch die Weisungserteilung über einen Online-Dialog wäre es sogar möglich, dass ein Aktionär einem in der Hauptversammlung anwesenden Vertreter eines Kreditinstitutes noch im Laufe der Versammlung elektronisch eine Weisung erteilt7. Diese Möglichkeit wird von den Banken in der Regel jedoch nicht angeboten. Von der Weisung des Aktionärs kann das Kreditinstitut nur abweichen, wenn sich während der Hauptversammlung herausstellt, dass die Weisungsausübung gesellschaftsschädlich ist und nicht ausreichend Zeit zur Verfügung steht, den Aktionär zu informieren und seine Entscheidung abzuwarten8. Gem. § 135 Abs. 3 S. 2 AktG hat das Kreditinstitut dem Aktionär dann mitzuteilen, dass es von dessen Weisung abgewichen ist und ihm die Gründe dafür mitzuteilen. Erteilt der Aktionär dem Kreditinstitut keine ausdrückliche Weisung kann dieses gem. § 135 Abs. 1 S. 4 AktG das Stimmrecht nur entsprechend eigener Abstimmungsvorschläge oder entsprechend den Beschlussvorschlägen der Verwaltung ausüben.
Zu unterscheiden von einer Stimmrechtsausübung durch einen Bevollmächtigten, insbesondere des Stimmrechtsvertreters, ist die Abstimmung mittels Briefwahl oder Online-Teilnahme gem. § 118 Abs. 1 S. 2 bzw. Abs. 2 AktG. Voraussetzung für diese Art der Abstimmung ist eine Satzungsregelung oder eine Ermächtigung des Vorstands. Die Online-Teilnahme an der Hauptversammlung wird bisher eher vernachlässigt, eine Briefwahl wird jedoch bei großen Publikumsgesellschaften inzwischen häufiger angeboten9. Eine solche ermöglicht dem Aktionär eine schriftliche oder elektronische Stimmabgabe, ohne an der Versammlung teilzunehmen10. Da die Briefwahl in der Regel vor der Versammlung erfolgt, gelten Briefwähler als nicht bei der Versammlung erschienen11. Bei der Berechnung des Abstimmungsergebnisses werden die Stimmen aber zu dem bei der Beschlussfassung vertretenem Grundkapital gezählt12.
- Hüffer, Aktiengesetz, § 140, Rn. 4.
- Wachter, Aktiengesetz, § 134 Rn. 18.
- Deutscher Corporate Governance Kodex (DCGK) Nr. 2.2.3.
- Butzke, Die Hauptversammlung der Aktiengesellschaft, S. 202, Rn. 68.
- Hüffer, Aktiengesetz, § 134, Rn. 26b.
- Ek, Praxisleitfaden für die Hauptversammlung, S. 91, Rn. 330.
- Ek, Praxisleitfaden für die Hauptversammlung, S. 92, Rn. 333.
- Ek, Praxisleitfaden für die Hauptversammlung, S. 92, Rn. 335.
- Siehe Anlage 1 – Übersicht über Satzungsregelungen der DAX-Unternehmen.
- Ek, Praxisleitfaden für die Hauptversammlung, S. 95, Rn. 348.
- Seibert/Florstedt, ZIP 2008, 2145, 2146.
- Drinhausen/Keinath, BB 2009, 64, 67.